Who the fuck is Gender?
Norwegischer Geburtshelfer (l.) und afghanische Polizistinnen (r.) (cc:wiki)
Jeder fundierte Unfug beginnt mit einer Begriffsklärung. Also, wat is Gender?
Google sagt: »Geschlechtsidentität des Menschen als soziale Kategorie«. Wikipedia sagt: »soziales Geschlecht, (..) Geschlechtseigenschaften, welche eine Person in Gesellschaft und Kultur beschreiben«. Zwei durchaus treffende Definitionen. Wenn man sie zum ersten Mal liest, fragt man sich oft: »Und wo ist jetzt der Unterschied zwischen Gender und Geschlecht?« Die Antwort auf diese Frage füllt ganze Bücherregale, aber um es vereinfacht auszudrücken: Geschlecht ist, was du zwischen den Beinen hast. Gender ist die Überinterpretation dessen, die dir sagt was das für dein Leben zu bedeuten hat. Die nächste Frage dazu ist meistens: »Hängt das denn nicht zusammen?« Die Antwort darauf füllt dann das nächste Bücherregal und lautet: »Nein, eigentlich nicht, aber..« Hinter den Wörtchen »eigentlich« und »aber« steckt die Realität, in der wir leben und in dieser wurde jedem Menschen von Geburt an so lange und allumfassend anerzogen, es gäbe da einen Zusammenhang, dass es ihn inzwischen leider wirklich gibt. Es gibt ihn, weil wir an ihn glauben. Gender ist nichts real Greifbares. Es ist eine fixe Idee der Menschheit. Ein uralter Aberglaube daran, dass nicht nur unser Körper, sondern auch unser Charakter ein Geschlecht hätte. Dieser Irrtum reproduziert sich seit Jahrtausenden und ist die kulturelle Wurzel so vieler sozialer Probleme: Sexismus, Diskriminierung, Chauvinismus, Männerhass, Selbsthass, Geschlechterkampf, Ungleichheit und Ungerechtigkeit.
Die mit Sicherheit meistbenutzten Gender sind die sog. CisGender (lat. cis‑, diesseits). Das beschreibt alle Menschen mit männlichem Körper, die sich als Mann fühlen und alle Menschen mit weiblichen Körper, die sich als Frau fühlen. Auch wenn ich persönlich das nicht nachvollziehen kann, ist das vollkommen in Ordnung und genauso richtig wie jede andere Kombination. Auch wenn die für körperliches und soziales Geschlecht gleiche Wortwahl "männlich/weiblich" etwas missverständlich ist, weil sie die Missinterpretation, es gäbe einen Zusammenhang zwischen körperlichem und sozialem Geschlecht, nahelegt. Ein Irrtum, den man leider leicht begeht. Bis zum Ende des letzten Jahrtausends waren die zwei Varianten der Cisgender, CisFrau und CisMann, tatsächlich die beiden einzigen Gender der westlichen Kulturen. Heute machen diese beiden immer noch den Großteil aller verwendeten Gender aus, aber die Tendenz ist stark fallend. Und das ist auch gut so. Denn 2 Gender für alle 7,6 Mrd. Individuen auf der Welt ist schon rein mathematisch totaler Irrsinn. Außerdem wird das der wunderbaren Vielfalt menschlichen Lebens nicht ganz gerecht. Daher haben im Laufe der letzten Jahrzehnte zum Glück auch viele neue wunderschöne Genderkonzepte entwickelt. Darunter z.b. Genderfluid, Genderqueer, Transgender, Demigender, Intergender, SchrödingerGender, Agender und wie sie alle heißen. Die sollte man sich ruhig mal angucken. Wer sich in seinem Gender nicht gänzlich wohlfühlt, findet da oft was Passenderes und so mancher, der denkt Cis zu sein, findet sich da manchmal ganz woanders wieder. Und wer wirklich Cis ist, gewinnt vielleicht mehr Verständnis für seine farbenfrohe Umwelt. Aber egal, ob Cis oder nicht, für alle Gender gilt dabei immer: Habt euch lieb und schadet den anderen mit eurem Weltbild nicht.
Das Schlachtfeld der Geschlechtsidentitäten ist so bunt wie die Menschheit vielfältig und jeder darf sich seine Position darauf ganz frei aussuchen. Der Segen und der Fluch an dieser lockeren Organisation ist: Jeder Mensch ist selbst dafür verantwortlich. Man entscheidet selbst über seine Identität und kriegt diese nicht länger aufdiktiert. Das ist leider etwas herausfordernder als einfach in ausgetretenen Pfaden zu wandeln, aber man reproduziert auch nicht mehr die Fehler der Vergangenheit und erhält am Ende eine Form der seelischen Zufriedenheit, welche die Arbeit, seinen Horizont zu erweitern, mehr als wert ist. Meiner Meinung nach sollte man lieber den Dienst am Gender gleich ganz verweigern, aber wer sein Gender nicht selbst macht, läuft Gefahr es von Anderen gemacht zu kriegen. Und das ist sicher das Schlimmste, was einem passieren kann. Also egal wie du es machst, Hauptsache du machst es. Du machst dein Gender, oder auch nicht, oder wie auch immer du willst. Deine Sache, deine Verantwortung, deine Chance, deine Schuld, deine Individualität, deine Sexualität, deine Entscheidung. Du machst das schon. Und wenn's dir nicht gefällt, dann mach's anders. Unsere Kulturgeschichte nennt sowas den »Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit«. In diesem Sinne: »Mach'et!«
Natürlich ist es das gute Recht eines jeden Menschen körperlich männlichen Geschlechts von sich zu behaupten, sein soziales Geschlecht wäre Mann, wenn er sich nun mal so fühlt. So wie auch jeder Mensch körperlich weiblichen Geschlechts sein soziales Geschlecht als weiblich definieren kann. Solche Kombinationen sind durchaus möglich, aber nicht zwangsläufig die Norm. Sicher könnte man es sich einfach machen und das zur allgemeingültigen Norm erheben, das wäre dann aber menschenverachtender Mumpitz. Denn dann wäre die soziale Kategorie eine soziale Kaste, in die man geboren wird und nach der man zu leben hat, egal ob sie einem nun passt oder man sich darin unwohl fühlt. Dann wäre Geschlechtsidentität nicht mehr Chance, sondern Begrenzung der freien Entfaltung der eigenen Individualität. Das Fachwort für diese diskriminierende Menschenrechtsverletzung nennt sich Cissexismus.
Aber genug der neuen Fachwörter. Formulieren wir es doch mal ganz einfach so, wie es jeder kennt, versteht und erlebt: Cissexismus ist, warum Jungs blau und Mädchen pink tragen. Cissexismus ist, warum du gemobbt wirst, wenn du es andersrum machst. Cissexismus ist, wenn du das schwache oder das starke Geschlecht bist. Cissexismus ist, warum du nicht rückwärts einparken kannst. Cissexismus ist, warum du niemals weinen darfst. Cissexismus ist, wenn man dich nicht ernst nimmt. Cissexismus ist, warum immer alles an dir hängen bleibt. Cissexismus ist, warum du davon keine Ahnung hast. Cissexismus ist, wenn du nicht befördert wirst. Cissexismus ist, wenn du dich hochgeschlafen hast. Cissexismus ist, warum du ´ne frivole Schlampe bist. Cissexismus ist, warum du ´n primitiver Arsch bist. Cissexismus ist, wenn du peinlich baggerst oder dümmlich kicherst. Cissexismus ist, wofür du dich zum Affen machst. Cissexismus ist, wenn du bei den Kindern bleiben musst. Cissexismus ist, wenn du nicht bei deinen Kindern bleiben kannst. Cisseximus ist, warum du nicht über deine Gefühle sprechen kannst. Cissexismus ist, wenn dir die Hälfte der Geschlechtsorgane abgeschnitten wird. Cissexismus ist, wenn dir deine halbe Sexualität aberzogen wurde. Cissexismus ist, wenn dir die halbe Gefühlswelt vorenthalten wird. Cissexismus ist das unbehagliche Gefühl, welches du verspührst, wenn du machst, was Menschen deines Geschlechts nicht machen sollten. Cissexismus ist die Diskriminierung, die du spürst, wenn du es trotzdem tust. Cissexismus ist die Angst, was die Leute denken könnten. Cissexismus ist der internalisierte Hass, falls du ihnen glaubst. Cissexismus ist, wer du bist und wer du nicht bist. Kurzum: Cissexismus sind zehn Jahrtausende sexistischer Ungerechtigkeit an Frauen so wie Männern und allen Menschen.
Soviel zu den wichtigsten Termini der Genderdiskussion. Abschließend meine ganz persönliche Antwort als Agender auf die Frage: »Wat is Gender?« ‑Gender ist all das an unserem Geschlecht, was sich nicht auf unsere Geschlechtsorgane bezieht. Eine zum Bersten aufgeblasene Überinterpretation. Eine Form des Glaubens, Persönlichkeiten hätten ein Geschlecht. Alle Formen von Gender, sowohl die CisGender als auch die freien Gender, erachte ich als verschiedene Ausprägungen derselben Unsinnigkeit. Dem für mich nicht nachvollziehbaren Drang, seiner einzigartigen Persönlichkeit ein Geschlecht zu geben. Der menschliche Geist ist für mich etwas so Wundervolles, das Gender überhaupt nicht nötig hat. Gender ist die älteste Geißel der Menschheit. Eine Krankheit, die uns zerfrisst und entzweit, wo wir gemeinsam glücklich werden könnten. Eine so unsinnige Verkomplizierung des Lebens. Gender ist wie Luftgitarre spielen. Man tut so als hätte man was in der Hand, fühlt sich dabei ziemlich cool, aber sieht für mich einfach nur merkwürdig aus. Gender ist, was wir am wenigsten brauchen und am meisten haben.
die unterschiede/zusammenhänge von geschlecht / gender / sex kann man nicht in einem satz beantworten. judith butler zB hat herusgearbeitet dass die simple unterscheidung zwischen biologischen und sozialem geschlecht schwierig ist, also man das nicht einfach trennen kann ohne neue probleme zu schaffen. Daher ist es unzutreffend und letztlich irreführend, zwischen dem biologischen Geschlecht (engl.: sex) und dem sozialen Geschlecht (engl.: gender) eine Trennlinie zu ziehen. Butler schlug daher vor, nur noch von „gender“ zu sprechen. Sie behauptete nicht, dass wir körperlose Ideen sind und die Geschlechtszugehörigkeit „bloß ausgedacht“ ist, sondern dass das, was wir als „natürliches Geschlecht“ bezeichnen, immer schon von Normen und gesellschaftlichem Handeln geprägt ist.