Who the fuck is Gender?

Who the fuck is Gender?

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Luci­en Lafayette

2. Juli 2022

Nor­we­gi­scher Geburts­hel­fer (l.) und afgha­ni­sche Poli­zis­tin­nen (r.) (cc:wiki)

Jeder fundierte Unfug beginnt mit einer Begriffsklärung. Also, wat is Gender?

Goog­le sagt: »Geschlechts­iden­ti­tät des Men­schen als sozia­le Kate­go­rie«. Wiki­pe­dia sagt: »sozia­les Geschlecht, (..) Geschlechts­ei­gen­schaf­ten, wel­che eine Per­son in Gesell­schaft und Kul­tur beschrei­ben«. Zwei durch­aus tref­fen­de Defi­ni­tio­nen. Wenn man sie zum ers­ten Mal liest, fragt man sich oft: »Und wo ist jetzt der Unter­schied zwi­schen Gen­der und Geschlecht?« Die Ant­wort auf die­se Fra­ge füllt gan­ze Bücher­re­ga­le, aber um es ver­ein­facht aus­zu­drü­cken: Geschlecht ist, was du zwi­schen den Bei­nen hast. Gen­der ist die Über­in­ter­pre­ta­ti­on des­sen, die dir sagt was das für dein Leben zu bedeu­ten hat. Die nächs­te Fra­ge dazu ist meis­tens: »Hängt das denn nicht zusam­men?« Die Ant­wort dar­auf füllt dann das nächs­te Bücher­re­gal und lau­tet: »Nein, eigent­lich nicht, aber..« Hin­ter den Wört­chen »eigent­lich« und »aber« steckt die Rea­li­tät, in der wir leben und in die­ser wur­de jedem Men­schen von Geburt an so lan­ge und all­um­fas­send aner­zo­gen, es gäbe da einen Zusam­men­hang, dass es ihn inzwi­schen lei­der wirk­lich gibt. Es gibt ihn, weil wir an ihn glau­ben. Gen­der ist nichts real Greif­ba­res. Es ist eine fixe Idee der Mensch­heit. Ein uralter Aber­glau­be dar­an, dass nicht nur unser Kör­per, son­dern auch unser Cha­rak­ter ein Geschlecht hät­te. Die­ser Irr­tum repro­du­ziert sich seit Jahr­tau­sen­den und ist die kul­tu­rel­le Wur­zel so vie­ler sozia­ler Pro­ble­me: Sexis­mus, Dis­kri­mi­nie­rung, Chau­vi­nis­mus, Män­ner­hass, Selbst­hass, Geschlech­ter­kampf, Ungleich­heit und Ungerechtigkeit. 
Die mit Sicher­heit meist­be­nutz­ten Gen­der sind die sog. Cis­Gen­der (lat. cis‑, dies­seits). Das beschreibt alle Men­schen mit männ­li­chem Kör­per, die sich als Mann füh­len und alle Men­schen mit weib­li­chen Kör­per, die sich als Frau füh­len. Auch wenn ich per­sön­lich das nicht nach­voll­zie­hen kann, ist das voll­kom­men in Ord­nung und genau­so rich­tig wie jede ande­re Kom­bi­na­ti­on. Auch wenn die für kör­per­li­ches und sozia­les Geschlecht glei­che Wort­wahl "männlich/weiblich" etwas miss­ver­ständ­lich ist, weil sie die Miss­in­ter­pre­ta­ti­on, es gäbe einen Zusam­men­hang zwi­schen kör­per­li­chem und sozia­lem Geschlecht, nahe­legt. Ein Irr­tum, den man lei­der leicht begeht. Bis zum Ende des letz­ten Jahr­tau­sends waren die zwei Vari­an­ten der Cis­gen­der, Cis­Frau und Cis­Mann, tat­säch­lich die bei­den ein­zi­gen Gen­der der west­li­chen Kul­tu­ren. Heu­te machen die­se bei­den immer noch den Groß­teil aller ver­wen­de­ten Gen­der aus, aber die Ten­denz ist stark fal­lend. Und das ist auch gut so. Denn 2 Gen­der für alle 7,6 Mrd. Indi­vi­du­en auf der Welt ist schon rein mathe­ma­tisch tota­ler Irr­sinn. Außer­dem wird das der wun­der­ba­ren Viel­falt mensch­li­chen Lebens nicht ganz gerecht. Daher haben im Lau­fe der letz­ten Jahr­zehn­te zum Glück auch vie­le neue wun­der­schö­ne Gen­der­kon­zep­te ent­wi­ckelt. Dar­un­ter z.b. Gen­der­flu­id, Gen­der­queer, Trans­gen­der, Demi­gen­der, Inter­gen­der, Schrö­din­ger­Gen­der, Agen­der und wie sie alle hei­ßen. Die soll­te man sich ruhig mal angu­cken. Wer sich in sei­nem Gen­der nicht gänz­lich wohl­fühlt, fin­det da oft was Pas­sen­de­res und so man­cher, der denkt Cis zu sein, fin­det sich da manch­mal ganz woan­ders wie­der. Und wer wirk­lich Cis ist, gewinnt viel­leicht mehr Ver­ständ­nis für sei­ne far­ben­fro­he Umwelt. Aber egal, ob Cis oder nicht, für alle Gen­der gilt dabei immer: Habt euch lieb und scha­det den ande­ren mit eurem Welt­bild nicht. 
Das Schlacht­feld der Geschlechts­iden­ti­tä­ten ist so bunt wie die Mensch­heit viel­fäl­tig und jeder darf sich sei­ne Posi­ti­on dar­auf ganz frei aus­su­chen. Der Segen und der Fluch an die­ser locke­ren Orga­ni­sa­ti­on ist: Jeder Mensch ist selbst dafür ver­ant­wort­lich. Man ent­schei­det selbst über sei­ne Iden­ti­tät und kriegt die­se nicht län­ger auf­dik­tiert. Das ist lei­der etwas her­aus­for­dern­der als ein­fach in aus­ge­tre­te­nen Pfa­den zu wan­deln, aber man repro­du­ziert auch nicht mehr die Feh­ler der Ver­gan­gen­heit und erhält am Ende eine Form der see­li­schen Zufrie­den­heit, wel­che die Arbeit, sei­nen Hori­zont zu erwei­tern, mehr als wert ist. Mei­ner Mei­nung nach soll­te man lie­ber den Dienst am Gen­der gleich ganz ver­wei­gern, aber wer sein Gen­der nicht selbst macht, läuft Gefahr es von Ande­ren gemacht zu krie­gen. Und das ist sicher das Schlimms­te, was einem pas­sie­ren kann. Also egal wie du es machst, Haupt­sa­che du machst es. Du machst dein Gen­der, oder auch nicht, oder wie auch immer du willst. Dei­ne Sache, dei­ne Ver­ant­wor­tung, dei­ne Chan­ce, dei­ne Schuld, dei­ne Indi­vi­dua­li­tät, dei­ne Sexua­li­tät, dei­ne Ent­schei­dung. Du machst das schon. Und wenn's dir nicht gefällt, dann mach's anders. Unse­re Kul­tur­ge­schich­te nennt sowas den »Aus­gang des Men­schen aus sei­ner selbst ver­schul­de­ten Unmün­dig­keit«. In die­sem Sin­ne: »Mach'et!«
Natür­lich ist es das gute Recht eines jeden Men­schen kör­per­lich männ­li­chen Geschlechts von sich zu behaup­ten, sein sozia­les Geschlecht wäre Mann, wenn er sich nun mal so fühlt. So wie auch jeder Mensch kör­per­lich weib­li­chen Geschlechts sein sozia­les Geschlecht als weib­lich defi­nie­ren kann. Sol­che Kom­bi­na­tio­nen sind durch­aus mög­lich, aber nicht zwangs­läu­fig die Norm. Sicher könn­te man es sich ein­fach machen und das zur all­ge­mein­gül­ti­gen Norm erhe­ben, das wäre dann aber men­schen­ver­ach­ten­der Mum­pitz. Denn dann wäre die sozia­le Kate­go­rie eine sozia­le Kas­te, in die man gebo­ren wird und nach der man zu leben hat, egal ob sie einem nun passt oder man sich dar­in unwohl fühlt. Dann wäre Geschlechts­iden­ti­tät nicht mehr Chan­ce, son­dern Begren­zung der frei­en Ent­fal­tung der eige­nen Indi­vi­dua­li­tät. Das Fach­wort für die­se dis­kri­mi­nie­ren­de Men­schen­rechts­ver­let­zung nennt sich Cissexismus. 
Aber genug der neu­en Fach­wör­ter. For­mu­lie­ren wir es doch mal ganz ein­fach so, wie es jeder kennt, ver­steht und erlebt: Cis­se­xis­mus ist, war­um Jungs blau und Mäd­chen pink tra­gen. Cis­se­xis­mus ist, war­um du gemobbt wirst, wenn du es anders­rum machst. Cis­se­xis­mus ist, wenn du das schwa­che oder das star­ke Geschlecht bist. Cis­se­xis­mus ist, war­um du nicht rück­wärts ein­par­ken kannst. Cis­se­xis­mus ist, war­um du nie­mals wei­nen darfst. Cis­se­xis­mus ist, wenn man dich nicht ernst nimmt. Cis­se­xis­mus ist, war­um immer alles an dir hän­gen bleibt. Cis­se­xis­mus ist, war­um du davon kei­ne Ahnung hast. Cis­se­xis­mus ist, wenn du nicht beför­dert wirst. Cis­se­xis­mus ist, wenn du dich hoch­ge­schla­fen hast. Cis­se­xis­mus ist, war­um du ´ne fri­vo­le Schlam­pe bist. Cis­se­xis­mus ist, war­um du ´n pri­mi­ti­ver Arsch bist. Cis­se­xis­mus ist, wenn du pein­lich bag­gerst oder dümm­lich kicherst. Cis­se­xis­mus ist, wofür du dich zum Affen machst. Cis­se­xis­mus ist, wenn du bei den Kin­dern blei­ben musst. Cis­se­xis­mus ist, wenn du nicht bei dei­nen Kin­dern blei­ben kannst. Cis­se­xi­mus ist, war­um du nicht über dei­ne Gefüh­le spre­chen kannst. Cis­se­xis­mus ist, wenn dir die Hälf­te der Geschlechts­or­ga­ne abge­schnit­ten wird. Cis­se­xis­mus ist, wenn dir dei­ne hal­be Sexua­li­tät aberzo­gen wur­de. Cis­se­xis­mus ist, wenn dir die hal­be Gefühls­welt vor­ent­hal­ten wird. Cis­se­xis­mus ist das unbe­hag­li­che Gefühl, wel­ches du ver­spührst, wenn du machst, was Men­schen dei­nes Geschlechts nicht machen soll­ten. Cis­se­xis­mus ist die Dis­kri­mi­nie­rung, die du spürst, wenn du es trotz­dem tust. Cis­se­xis­mus ist die Angst, was die Leu­te den­ken könn­ten. Cis­se­xis­mus ist der inter­na­li­sier­te Hass, falls du ihnen glaubst. Cis­se­xis­mus ist, wer du bist und wer du nicht bist. Kurz­um: Cis­se­xis­mus sind zehn Jahr­tau­sen­de sexis­ti­scher Unge­rech­tig­keit an Frau­en so wie Män­nern und allen Menschen. 
Soviel zu den wich­tigs­ten Ter­mi­ni der Gen­der­dis­kus­si­on. Abschlie­ßend mei­ne ganz per­sön­li­che Ant­wort als Agen­der auf die Fra­ge: »Wat is Gen­der?« ‑Gen­der ist all das an unse­rem Geschlecht, was sich nicht auf unse­re Geschlechts­or­ga­ne bezieht. Eine zum Bers­ten auf­ge­bla­se­ne Über­in­ter­pre­ta­ti­on. Eine Form des Glau­bens, Per­sön­lich­kei­ten hät­ten ein Geschlecht. Alle For­men von Gen­der, sowohl die Cis­Gen­der als auch die frei­en Gen­der, erach­te ich als ver­schie­de­ne Aus­prä­gun­gen der­sel­ben Unsin­nig­keit. Dem für mich nicht nach­voll­zieh­ba­ren Drang, sei­ner ein­zig­ar­ti­gen Per­sön­lich­keit ein Geschlecht zu geben. Der mensch­li­che Geist ist für mich etwas so Wun­der­vol­les, das Gen­der über­haupt nicht nötig hat. Gen­der ist die ältes­te Gei­ßel der Mensch­heit. Eine Krank­heit, die uns zer­frisst und ent­zweit, wo wir gemein­sam glück­lich wer­den könn­ten. Eine so unsin­ni­ge Ver­kom­pli­zie­rung des Lebens. Gen­der ist wie Luft­gi­tar­re spie­len. Man tut so als hät­te man was in der Hand, fühlt sich dabei ziem­lich cool, aber sieht für mich ein­fach nur merk­wür­dig aus. Gen­der ist, was wir am wenigs­ten brau­chen und am meis­ten haben. 

One thought on “Who the fuck is Gender?

  1. die unterschiede/zusammenhänge von geschlecht / gen­der / sex kann man nicht in einem satz beant­wor­ten. judith but­ler zB hat herus­ge­ar­bei­tet dass die simp­le unter­schei­dung zwi­schen bio­lo­gi­schen und sozia­lem geschlecht schwie­rig ist, also man das nicht ein­fach tren­nen kann ohne neue pro­ble­me zu schaf­fen. Daher ist es unzu­tref­fend und letzt­lich irre­füh­rend, zwi­schen dem bio­lo­gi­schen Geschlecht (engl.: sex) und dem sozia­len Geschlecht (engl.: gen­der) eine Trenn­li­nie zu zie­hen. But­ler schlug daher vor, nur noch von „gen­der“ zu spre­chen. Sie behaup­te­te nicht, dass wir kör­per­lo­se Ideen sind und die Geschlechts­zu­ge­hö­rig­keit „bloß aus­ge­dacht“ ist, son­dern dass das, was wir als „natür­li­ches Geschlecht“ bezeich­nen, immer schon von Nor­men und gesell­schaft­li­chem Han­deln geprägt ist.

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