Liebe Lesende,
Auszug aus meiner Versicherungspolice
Wenn wir sprechen, könnt` ich brechen.
Wer was zu sagen hat, sollte sich auch korrekt ausdrücken können. Also kann ich schonmal gleich die Fresse halten. Sich genderpolitisch korrekt auszudrücken, ist mir in meiner Sprache nämlich leider gar nicht möglich. Gendergerechter oder genderneutraler Sprachgebrauch sind zwar echt lobenswerte Ideale, aber lobenswerte Ideale sind wie geile Pornos. Jeder wichst drauf, aber keiner spielt drin mit. Und die Realität ist es sowieso nicht. Die Sprache der Dichter und Denker kann einfach nicht ohne Gender, obwohl sie das mal so gar nicht drauf hat. Und alle wirklich gut gemeinte linguistische Flickschusterei der gendergerechten oder genderneutralen Sprache, kratzt nur an der Oberfläche einer wesentlich tiefer reichenden Altlast: Die wirklich steinalte Weltanschauung, auf der sich unsere Sprache gründet. Genauer gesagt, unser Hochdeutsch gibt es seit dem Jahre 1650. Und wie die Welt im Jahre 1650 aussah, können wir uns so ungefähr vorstellen. Damals verbrannte man lieber Hexen und Heiden, als sich um sowas wie Emanzipation oder Genderidentitäten Gedanken zu machen. Aber aus eben dieser Zeit und aus ihrem Weltbild heraus entstand unsere Sprache. Da wir inzwischen etwas klüger sind, könnte man das Ganze eigentlich als reiches kulturelles Erbe abhaken und einfach sagen, was man denkt. Aber so einfach ist das nicht mit dem Denken und dem Sprechen. Die Sprache, die wir sprechen, ist nämlich auch die Sprache, in der wir Denken. Und die Sprache, in der wir denken, formt unsere Wahrnehmung, unser Weltbild und damit letztendlich unsere Wirklichkeit. So sehen wir die Welt von heute in einer Sprache von vor 400 Jahren. Das kann ja nicht gut gehen. Tut es auch nicht.
Das erste und exemplarische Problem der deutschen Sprache mit Gender ist, dass sie überhaupt kein Wort für Gender hat. »Geschlecht« bedeutet im Deutschen sowohl »körperliches Geschlecht« als auch »soziales Geschlecht«. Das zu unterscheiden, ist aber eine der wichtigsten Grundlagen der Genderdiskussion. Denn beides als ein und dasselbe zu sehen, wäre sexistische Bigotterie. Um so skurriler ist es, dass unsere Sprache, obwohl sie kein Wort für Gender hat, in jedem Satz immerzu Genderthemen hat. Und das nicht zu knapp. Kaum eine andere Sprache ist so genderwütig wie die unsere. Wenn wir am Sonntagnachmittag in den Garten gehen, um den Rasen zu sprengen, dann nennt man uns entweder »Gärtner« oder »Gärtnerin«, je nach Geschlecht. Dem Rasen ist es zwar ziemlich egal, welches Geschlecht ihn gießt und das Gras wird davon auch nicht grüner, aber der deutschen Sprache ist das Geschlecht der im Garten arbeitenden Person ungeheuer wichtig. So wie auch das Geschlecht eigentlich jeder Person, über die sie redet, auch wenn es sonst niemanden interessiert. Aber so wenig das auch von Interesse sein mag, wehe dem, der es falsch macht. Nennt man den »Gärtner« »Gärtnerin«, stellt man seine Männlichkeit in Frage. Nennt man die »Gärtnerin« »Gärtner«,wirkt man schnell antifeministisch. So straft die deutsche Sprache Abweichungen von ihrer Norm. Egal, ob die ungewollte Zusatzinformation des Geschlechts der Personen, über die man redet, nun bloss unnötig und nervig oder gar irreführend bis beleidigend wirkt, wenn die eigene Sprache Sachen macht, die der Sprecher weder braucht, noch will, ist das bedenklich.
Als wäre es nicht schon kompliziert genug, überall da zu gendern, wo es keiner braucht. Da wo man es wirklich dringend bräuchte, gendert unsere Sprache dann gar nicht. So definiert der deutsche Volksmund z.b.: »Schlampe« [f. die], als »Bezeichnung für eine Frau mit den Moralvorstellungen eines Mannes«. Ein gendergerechtes Pendant lässt bis heute auf sich warten. So fehlen unserer Sprache abertausende Vokabeln, die wir eigentlich dringend bräuchten, um unsere Persönlichkeit und Gefühlswelten ordentlich auszudrücken und auszuleben. Aus Hebammen Geburtshelfer*innen zu machen oder den »Fachmann« um die »Fachfrau« zu erweitern, obwohl beides »Fachkräfte« sind, löst nämlich nicht Probleme wie beispielsweise das von Prinz und Prinzessin. Denn wenn sich Prinz und Prinzessin emanzipieren, haben sie auf einmal keine Namen mehr. Wie nennt man denn einen männlich gegenderten Menschen, der alle Attribute einer Prinzessin verkörpert? »Prinzesser«, »Prinzessor«, »Prinzesskartoffel«? Klingt alles ungewohnt und existiert im Sprachgebrauch nicht. Dafür haben wir aber von »Schwuchtel« bis »Memme« jede Menge sehr abwertende Begriffe dafür. Weiblich gegenderte Menschen, die tolle Prinzen abgeben, heißen im Volksmund auch nicht »Prinzin« oder »Prinzette« sondern eher »Kampflesbe« oder »Mannsweib«. Aber »Prinz« und »Prinzessin« mit jeweils einem genderneutralen Wort zu bezeichnen, kann unsere Sprache aber auch nicht. Tja, wer im Deutschen nicht männlicher Mann oder weibliche Frau ist, kriegt schnell ihre geballte Sprachgewallt über. Und wer sich zu anderen Geschlechtern als Cis-Frau oder ‑Mann zählt, hat in unserer Sprache schonmal gar keinen Platz. Ich persönlich bin trotzdem eine der schillerndsten und bezauberndsten Prinzessinnen der deutschen Hauptstadt, obwohl ich einen wunderschönen Prizessinenschwanz habe, auch wenn meine Muttersprache keine Worte für mich hat.
Um all diese und viele andere sprachliche Missstände auszubügeln, gibt es genau so viele wie unpopuläre Ideen. Denn nur weil ein Haufen kluger Menschenrechtler auf europäischer Ebene die Strategie des Gender-Mainstreaming zur allgemeinen Richtlinie erklärt, heißt das noch lange nicht, dass jeder Hans-Otto aufhört zu reden, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Dafür kritisiert er lieber lautstark, seine Sprache würde verschandelt werden, wenn man sie gendergerecht gestaltet. Und damit hat er sogar recht. Die deutsche Sprache ist entweder ungerecht und wohlklingend oder gerecht und gestelzt. Aber selbst wenn wir das literarische Genie besitzen würden, welches Geschlechtergerechtigkeit und Eloquenz vereint, ist unsere Sprache einfach zu tief von Genderthemen durchdrungen, weil sie schlicht und einfach ein Erbe aus sehr sexistischen Zeiten ist.
Die erste, einfachste und meiner Ansicht nach schlechteste Idee unsere Sprache gendergerechter zu gestalten ist das vorherrschende Maskulinum um ein Femininum zu erweitern. Wir kennen das als »Gärtner(innen)«, »Gärtner/innen«, »Gärtner/-innen«, »GärtnerInnen«, »Gärtner_innen«, »Gärtner-innen«, »Gärtner_innen«, »Gärtner*innen« oder »Gärtner:innen«. Aber wie auch immer das Femininum nun angehangen wird, es führt letztendlich zum Gegenteil dessen, was es lösen möchte. Denn mit jedem »Innen« blasen wir unsere Sprache nur weiter mit Gender auf. Und nicht nur das. Wir blasen sie mit binärem Gender, dem Schlimmsten aller Genderbilder, auf. Wir festigen und fördern nur den Sexismus unserer Sprache. Unterscheiden Männer und Frauen noch intensiver, obwohl wir doch beide emanzipieren möchten. Grenzen nicht-binäre Menschen noch weiter aus, obwohl wir sie inkludieren möchten. Belasten Menschen, die nicht auf ihr Geschlecht reduziert werden wollen, mit noch stärkerer Kennzeichnung ihres Geschlechts. Machen das Thema Gender nur noch größer bei dem Versuch, es gerechter zu gestalten. Aber wenn Gender das Problem ist, kann noch mehr Gender nicht die Lösung sein. Nein, Genderprobleme lösen heißt Gender abbauen. Denn hat unsere Sprache kein Gender mehr, kann sie kein Geschlecht mehr diskriminieren.
Wie nehmen wir also der genderbesessensten aller Sprachen ihr Gender? Ohne sie komplett neu zu erfinden, was keine Option darstellt, geht das leider nicht, aber man kann die Genderthemen unserer Sprache reduzieren und so viele Schritte zur genderneutralen Sprache gehen, wie es die eigene Eloquenz erlaubt. Die beste und bisher auch erfolgreichste Strategie dazu ist die Neutralisation. In vielen Fällen reicht es schon »Frau« oder »Mann« durch »Mensch« oder »Person« o. ä. zu ersetzen und z.B. aus dem »Geschäftsmann« den »Geschäftsmenschen« zu machen. An anderen Stellen kann man sich auf den geschlechtsneutralen Plural beziehen und beispielsweise »Lesern« und »Leserinnen« einfach »Lesende« nennen. Oder man leiht sich bei anderen Sprachen, die weniger genderdurchdrungen sind, Wörter und nennt z.B. das »Kindermädchen«, welches kein männliches Pendant hat, »Aupair«. Manchmal hat sogar die deutsche Sprache auch einfach schon ein genderneutrales Wort, das man einfach nur benutzen muss. Wie z.B. zu »Dieben« und »Diebinnen« »Langfinger« zu sagen. In manchen Fällen muss man ein wenig kreativ werden, um aus »Juroren« und »Jurorinnen« schlichtweg »Jurymitglieder« zu machen, aber da Sprache glücklicherweise ein lebendiges Medium ist, wird jede gute Idee Teil unseres Sprachvermächtnisses. Soviel zu einigen Mitteln der genderneutralen Sprache. Es gibt noch viele mehr und jeder Mensch darf sie alle nutzen..
Aber so heilsam und wichtig es auch sein mag, unsere Sprache von Gender zu befreien, so unendlich weit wie der Weg dorthin scheint, wird es nochmal 400 Jahre dauern, bis sie komplett frei von Gender funktioniert und sich dabei auch noch gut anhört. Doch irgendwann muss man anfangen, sonst redet man ewig so weiter als käme man aus dem Mittelalter des 16. Jahrhunderts. Und bis es so weit ist brauchen wir einfach viel Geduld, Verständnis und vor allem gute Nerven. Geduld um die sprachliche Raffinesse zu finden, die es braucht, um Gerechtigkeit und Schönheit in unserer Sprache zu vereinen. Verständnis für alle, die lieber an ihrer alten Sprache festhalten wollen. Und gute Nerven beim Sprechen einer Sprache, die trotz aller Bemühungen noch immer voll von Gender ist.
Abschließend möchte ich noch eine kleine Übung mitgeben, die schnell und effizient hilft, das eigene Sprach- und Weltbild etwas zu entrümpeln.: Verzichtet einfach mal beim Sprechen und Denken auf die Wörter »männlich« und »weiblich« sowie ihre Derivate. Ersetzt sie stattdessen je nach Kontext mit einem anderen Vokabel, der beschreibt, was ihr damit sagen wollt. Z. B. wird der Satz »Mein Kollege Horst ist voll weibisch« dann zu »Mein Kollege Horst ist voll empfindsam und mitfühlend«. So drückt man wesentlich genauer aus, was man eigentlich meint und lässt den armen Horst nicht so dastehen, als wäre er im falschen Körper unterwegs. Klingt einfach. Ist es auch, aber kann das eigene Sprach- und Weltbild sehr bereichern. Viel Spaß damit!